Ein Foto: Ein alter Holztisch mit Schublade an dem eine Frau sitzt. Um sie stehen noch drei Personen vor einer Holzwand. Alle lächeln.

„Raum für Stille“ –
Atmosphärisches Literaturfest im Garnisons­schützenhaus

von Kerstin Bönsch

Es ist ein heißer Julitag, als ich mich mit dem Auto auf den Weg zum Literaturfest „Stuttgarter Stimmen“ mache. Ich komme gestresst an, denn ich bin ein paar Minuten zu spät dran. Doch kaum habe ich den Eingang zum Garnisonsschützenhaus passiert, fallen Hektik und der Lärm des Alltags von mir ab. Es ist ein besonderer Ort, der an diesem Abend die Kulisse bietet: Ein Garten mit Wildblumen ziert den Eingang und grenzt an den Innenhof, der mit flatternden bunten Wimpeln geschmückt ist. Auf der rechten Seite liegt eine Scheune, deren Holztüren einladend offen stehen. Drinnen befindet sich ein Lesepult und es sitzen schon ein paar Gäste drum herum. Weitere Gäste verteilen sich im Innenhof. Sie halten kühle Getränke in den Händen und unterhalten sich angeregt. Melodien von Gitarre und Kontrabass hallen zu mir herüber und gleich wird es mit den Lesungen losgehen. Ja, es ist eine besondere Atmosphäre an einem Ort, der sich auch „Raum für Stille“ nennt.

Die Moderatorin Nina Blazon begrüßt die Gäste. Sie wird die drei Kurzlesungen moderieren. Nina Blazon ist selbst Schriftstellerin und engagiert sich für den Verein „Garnisonsschützenhaus – Raum für Stille“. Eines ist schon nach wenigen Minuten klar: „Raum für Stille“ meint einen Ort der inneren Einkehr, des Nachdenkens, aber eben auch einen Ort des gemeinsamen Erlebens und der Begegnung – Begegnung mit anderen Menschen und Begegnung mit Kultur. Und dieses Konzept geht an diesem Abend auf.

Die Stuttgarter Schriftstellerin Iris Lemanczyk nimmt als erstes am Lesepult Platz. Mittlerweile sitzen alle Gäste verteilet in der Scheune oder genießen die letzten Sonnenstrahlen direkt vor den geöffneten Toren. Iris Lemanczyk stellt ihren Roman Brennessel-Haut vor. Dieser handelt von der Kindheit des CDU-Politikers Heiner Geißler und dessen inniger Freundschaft zu Kajetan, einem Sinto. Es ist ein Roman über Diskriminierung und Rassismus im Nationalsozialismus sowie über die Kraft der Freundschaft. „Es war ein aufwühlender und schwieriger Schreibprozess“, erläutert die Autorin im Gespräch. Sie hat bei ihren Recherchen mit vielen Zeitzeugen gesprochen, auch mit Heiner Geißler. Herausgekommen ist ein authentischer Roman, der bewegt und nachdenklich macht. 

Schriftsteller und Songwriter Tobias Elsäßer gibt zunächst mit Gitarre und seiner sonoren Stimme einen selbstgeschriebenen Song zum Besten. Anschließend liest er aus seinem Jugendroman Play. Er beschäftigt sich darin mit dem Determinismus durch die sozialen Medien. Was wäre, wenn es eine App gäbe, die anhand unserer digitalen Fußspuren unser Schicksal vorhersagt? Der Protagonist Jonas will seinem angeblichen Schicksal entkommen; er will unberechenbar werden. Im Roadtrip-Thriller von Tobias Elsäßer geht es um Liebe, Freundschaft, Freiheit und Selbstbestimmung in Zeiten von Social Media – einem brandaktuellen Thema. 

Den Abschluss macht Olaf Nägele mit „Hammerhart“ – einem Band mit humorvollen Szenen aus dem Leben. Er beschreibt, wie es ist, einen Horrorfilm mit Jugendlichen anzuschauen oder wie man am besten (nicht) reagiert, wenn die kleine Mia-Leonie ein ganzes Flugzeug terrorisiert. Es ist eine Satire auf Helikopter-Eltern und pubertierende Kinder, Männer beim Yoga und noch vieles mehr. 

Die musikalische Gestaltung des Abends übernahmen das Duo Mithra mit Nicolas Buvat und Romain Gsell. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Literatursommers Baden-Württemberg statt.