Neckarufer mit Hölderlinturm in Tübingen.

Heimat und Vaterland
bei Hölderlin

von Kerstin Bönsch

Hölderlin - ein schwäbischer Dichter, der sich in keine Epoche einordnen lässt. Ein Dichter, dessen Sprache von kristallin bis düster noch heute viele Menschen fasziniert. Ein Dichter, dessen Werke sowohl von linksliberalen Kräften als auch von nationalsozialistischen Gesinnungen vereinnahmt wurden. Wie definierte Friedrich Hölderlin den Begriff der Heimat und wie verstand er das Vaterland? Darüber diskutierten Prof. Dr. Johann Kreuzer, Präsident der Hölderlin-Gesellschaft e.V., und der Feuilletonist und Hölderlin-Kenner Prof. Dr. Manfred Koch gemeinsam mit dem Literaturwissenschaftler Richard Schumm. Das Gespräch ist aufgezeichnet als Podcast in der Reihe Turmgespräche des Museums Hölderlinturm Tübingen. Die Produktion wurde unterstützt von der Baden-Württemberg-Stiftung im Rahmen des Literatursommers 2022.   

Rund 75 Minuten sprechen die drei Literaturwissenschaftler über Hölderlins Bezug zur Heimat und zum Vaterland. Kann er als Heimatdichter verstanden werden? Diese Frage nimmt Raum ein, ohne abschließend beantwortet werden zu können. Verstünde man Heimat als geographischen Referenzpunkt, ständen die landschaftlichen Prägungen im Neckarraum mit Weinbergen in Hölderlins Dichtung im Fokus. Doch Heimat ist mehr als landschaftliche Prägung. „Für Hölderlin ist Heimat auch die Sprache“, konstatiert Johann Kreuzer. Den Hölderlin Sound erkenne man sofort, denn der schwäbische Dialekt scheine gelegentlich durch seine Dichtung. Der Heimatbegriff muss bei Hölderlin jedoch um mehrere Dimensionen erweitert werden: Es gibt auch politische, historische, biografische und poetische Dimensionen des Begriffes. Im politischen Sinne ist Hölderlins Begeisterung für die Französische Revolution zu nennen, die sich in seiner Ode Der Tod fürs Vaterland erkennen lässt. Später wurden die letzten Zeilen vom Nationalsozialismus für Propaganda genutzt (Und Siegesboten kommen herab: Die Schlacht / Ist unser! Lebe droben, o Vaterland, / Und zähle nicht die Toten! Dir ist, / Liebes! nicht Einer zu viel gefallen.) Auch wenn die Nationalsozialisten die Verse für ihre Zwecke missverstanden und damit auch missbrauchten: „Hölderlin wollte in dieser [...] pietistisch geprägten Tradition ein Vaterlandssänger sein und das ist das, was uns heute eine Gänsehaut verursacht“, so Manfred Koch.

Den gesamten Podcast finden Sie beim Museum Hölderlinturm.