Magdalena wer?
Vortrag erinnert an schwäbische Schriftstellerinnen

von Kerstin Bönsch

Wer kennt sie: Magdalena Rieger, Sophie von La Roche, Marianne Ehrmann, Therese Huber, Ottilie Wildermuth, Isolde Kurz oder Victoria Wolff? Für weibliches Schreiben waren die Bedingungen in den letzten Jahrhunderten oftmals schwierig. Noch heute wird der Literaturkanon von männlichen Autoren dominiert. Ein Vortrag in Tübingen widmete sich Schriftstellerinnen aus über 200 Jahren schwäbischer Literaturgeschichte und lud zum Wiederentdecken von nahezu in Vergessenheit geratenen Schriftstellerinnen ein. 

Im Tübinger Beginenhaus — einem sozialen Wohnprojekt für alleinstehende Frauen — hatten sich die Gäste versammelt, um dem Vortrag von Dorothea Keuler zu lauschen. Die freie Autorin stellte Leben, Werk und Wirken von sieben schwäbischen Schriftstellerinnen vor. Damit die Zuhörer:innen auch einen literarischen Eindruck erhielten, rezitierte Künstlerin Monika Müller-Schauenburg passende Textpassagen.

Dorothea Keuler begann ihren literarischen Reigen mit Magdalena Rieger (1707-1786) — einer Schriftstellerin aus dem 18. Jahrhundert. Jene startete ihr Schreiben als therapeutischen Akt, doch aus der zunächst privaten Dichtung erwuchs schnell öffentliches Interesse. Die Autorin verfasste vor allem geistliche und moralische Dichtung und ist noch heute mit einem Lied im evangelischen Gesangsbuch für Württemberg vertreten. Die Uni Göttingen verlieh ihr 1743 das Prädikat der „Kaiserlichen Dichterin“. 


Die Sternheim — Heldinnen im Roman und auf der Bühne

Sophie von La Roche (1730-1807) gilt heute als erste deutsche Bestsellerautorin und Berufsautorin. Mit ihrem anonym erschienenen Briefroman Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771) schrieb sie sich in die deutsche Literaturgeschichte ein. Der Roman setzte nicht nur auf Gefühle, sondern auch auf die Selbstbestimmtheit der weiblichen Protagonistin — beides war neu in der deutschsprachigen Literatur, machte La Roche über Nacht berühmt und „stellte Weichen für die nächsten 200 Jahre Literaturgeschichte“, so Dorothea Keuler. 
Die Dichterin Marianne Ehrmann (1755-1795) verdiente ihr Geld zunächst als Schauspielerin in einer Wanderschauspielgruppe, nachdem sie sich von ihrem brutalen Mann hatte scheiden lassen und als „gefallene Frau“ galt. Auf der Bühne trat sie unter dem Künstlernamen „Madame Sternheim“ auf — angelehnt an La Roches Romanheldin. Ihr Erstlingswerk Philosophie eines Weibes (1784) verhalf ihr sowohl zu neuer Anerkennung als auch zu ihrer zweiten Ehe, denn ein Rezensent ihres Essays verliebte sich in sie. Mit dem autobiografisch gefärbten Roman Amalie. Eine wahre Geschichte in Briefen (1788) feierte sie wenig später noch größere Erfolge.  


„Die Poesie ist unter die Weiber gekommen“

Den Übergang ins 19. Jahrhundert markierte im Vortrag Therese Huber (1764-1829). Die Professorentochter war als Redakteurin und Schriftstellerin berufstätig, publizierte jedoch lange unter dem Namen ihres Mannes — so auch ihren Debütroman Die Familie Seldorf (1795). Im Jahr 1816 stellte sie Verleger Johann Friedrich Cotta als Redakteurin ein; kurze Zeit später übernahm sie die redaktionelle Gesamtverantwortung für das Morgenblatt für gebildete Stände. Ärgerlich war jedoch, dass Therese Huber als Frau deutlich weniger Geld verdiente als ihre männlichen Kollegen. 
Zu einer der meistgelesenen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts zählte Ottilie Wildermuth (1817-1877). In ihren Erzählungen, Novellen und Lebensbildern zeichnete sie das Leben im schwäbischen Alltag nach. 1871 wurde sie mit der Großen Goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft des Königreichs Württemberg geehrt.  Frauen waren im 19. Jahrhundert im Literaturbetrieb etabliert.„Die Poesie ist unter die Weiber gekommen“, zitierte Dorothea Keuler den Romantiker Joseph von Eichendorff. 

Literatur und Nationalsozialismus

Die aus Stuttgart stammende Schriftstellerin Isolde Kurz (1853-1944) lebte in München, Florenz und Tübingen. Sie war 1911 die erste Preisträgerin des Ebner-Eschenbach-Preises und erhielt 1943 als anerkannte Schriftstellerin die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft von Joseph Goebbels. Ihr ambivalentes Verhältnis zum Nationalsozialismus wird in der Forschung kritisch in den Blick genommen. Den Schluss setzte Dorothea Keuler mit Exilautorin Victoria Wolff (1903-1992). Die aus Heilbronn stammende Schriftstellerin einer jüdischen Familie floh 1933 nach Ascona und emigrierte schließlich 1941 in die USA. Bekannt geworden ist sie mit zahlreichen Romanen und schrieb in Los Angeles auch Drehbücher für Hollywood. Einige ihrer Romane wie Das weiße Abendkleid wurden neu im Avivia Verlag aufgelegt. 

Der Vortrag im Rahmen des Literatursommers Baden-Württembergs war organisiert vom Fachbereich Kunst und Kultur in Kooperation mit baf – Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württembergs e.V. Tübingen.